Bocca della Verità

Mund der Wahrheit

Mund der Wahrheit

Mund der Wahrheit

 

Die „Bocca della Verità“ (auf Deutsch: „Mund der Wahrheit“) in der Säulenvorhalle der Basilika S. Maria in Cosmedin in Rom ist ein großes scheibenförmiges Relief auf einem korinthischen Kapitell. Dargestellt ist ein Gesicht mit einem offenen Mund. Der Name entspringt der volkstümlichen Vorstellungskraft und erinnert an die Legende, die mit diesem Relief verbunden ist. Angeblich beißt der steinerne Mund zu, wenn ein Lügner die Hand hineinsteckt.

 

Mund der Wahrheit
Mund der Wahrheit

Dabei gibt es ganz unterschiedliche Hypothesen über die Herkunft des Marmorreliefs: Es könnte sich um einen „antiken Kanaldeckel“ oder aber um einen „unbedeutenden Marmor, der das Gesicht eines Menschen oder einer Gottheit darstellt“ (der Gott Oceanus, ein Faun etc.) handeln. Doch erlauben zahlreiche miteinander im Einklang stehende historische und archäologische Aspekte (Symbolik, Religion usw.), darunter auch die Kostbarkeit des Materials, genaue Rückschlüsse darauf, um was es sich ursprünglich handelte.

 

Bei diesem Relief würde es sich demnach um die sonnenförmige symbolische Darstellung des Gottes Faunus handeln, einer altitalienischen Gottheit, die oft mit dem griechischen Gott Pan, mit dem er verschiedene Eigenschaften gemeinsam hatte, und mit einem anderen Gott, Silvanus, einer Waldgottheit der römischen Mythologie, verwechselt wird.

 

Dabei gibt es Verbindungen und verschiedene Verzweigungen der römischen und der griechischen Mythologie. In der römischen Mythologie war Faunus (eingedeutscht Faun) der Sohn von Picus (Vater von Latinus und ein Nachkomme von Saturnus) und der Nymphe Canente (der Tochter von Janus). Der Legende nach war Faunus zunächst König und wurde erst später zum Gott: Als Gott der Felder und Herden wurde er auch für alles verehrt, was mit der ländlichen Natur zu tun hatte.

 

Dem Gott Faunus wurde die Gabe der Weissagung und der Zeugungskraft zugeschrieben. Ihm wurden in der Nähe des Aventin Feierlichkeiten und Versöhnungsriten gewidmet. Bei den „Faunalien“, Festen, von denen das wichtigste auf den 5. Dezember fiel, wurde ein Ziegenbock mit Milch und Wein geopfert. Auf dem Palatin fanden die „Lupercalien“ statt“ (von „Lupercus“ Wolfsabwehrer), ein ebenfalls dem Gott Faunus gewidmetes Fest. Bei den Ritualen wurden ein Mastiff (eine altitalienische Hunderasse) und ein Ziegenbock geopfert, um die Gottheit zu bitten, die Wölfe von den Herden fernzuhalten, und den Bauern eine gute Ernte, den Jägern reichlich Wild und den Fischern Fische zu bescheren.

 

Unter anderem wegen seiner wahrsagerischen Eigenschaften war sein Bild bei den Bacchanalen – den Bacchusfesten – und den Versöhnungsriten bestimmter Agrargötter (Bacchus, Janus, Diana, Saturn, Mars) allgegenwärtig. Dabei war Faunus vor allem bei den Festen der Gottheiten zum Schutz der Landwirtschaft und der Ernte präsent: Wie etwa bei den Festen der römischen Göttin des Ackerbaus Ceres und des Gottes der eingebrachten Ernte Consus. Der Consus-Tempel befand sich in der Nähe des Circus Maximus, dem Ort, an dem die „Consualia“ gefeiert wurden: am 27. August zur Heiligung der Weizenernte und am 15. Dezember, um den Schutz der Felder zu beschwören. Vom 12. bis 19. April wurden drei große Feste zu Ehren der Ackerbaugöttin Ceres begangen. Ceres war eine der wichtigsten altitalienischen Gottheiten. Die „Cerialia“ fanden von ihrem Tempel bis zu den Plätzen rund um den Circus Maximus mit großer Spektakularität statt und wurden von vielen Menschen besucht. Die Menschen wandten sich mit Gesängen, Opfern und Ritualen an Ceres und die zahlreichen Agrargottheiten und zündeten Bündel von Weizenähren aus dem Vorjahr an, um die Göttin günstig zu stimmen, damit die Sonne die Ernten und die Erzeugnisse der Felder reifen ließe.

 

Der Tempel der Ceres (4. Jh. v. Chr.) befand sich wahrscheinlich an der Stelle, an der heute die Basilika S. Maria in Cosmedin steht. Die Säulen sind die Überreste eines Säulengangs mit Loggia, der vor dem Tempel stand und aus dem 4. Jh. n. Chr. stammt. Was von der Struktur und den Säulen übriggeblieben ist, kann im Inneren der Basilika zusammen mit dem mächtigen Mauerwerk der Ara maxima, einem Altar zur Verehrung des Hercules (8. Jh. v. Chr.), besichtigt werden. Hercules war im antiken Rom ein Gott, der dem griechischen Heracles nicht unähnlich war, doch in der römischen Mythologie als Agrar- und Sonnengott des Überflusses, der landwirtschaftlichen Produkte und des gehaltenen Versprechens verstanden wurde. In den Legenden der Region Latium wird er mit König Evander und der Mythologie des Gott Faunus in Verbindung gebracht.

 

Im Säulengang der heutigen Kirche, deren architektonischer Komplex sowohl christliche als auch heidnische Ursprünge aufweist, befindet sich die „Bocca della Verità“, deren originellen künstlerischen und geheimnisvollen Aspekte noch heute, vielleicht auch aufgrund der jahrhundertelangen, ununterbrochenen Verehrung, beim Besucher Faszination auslösen.

 

Das große scheibenförmige Relief ist 20 cm dick, hat einen Durchmesser von 175 cm und ein Gesamtgewicht von ca. 1.300 kg. Die Aussparungen auf beiden Seiten der großen Marmorscheibe, die zur Aufnahme der Befestigungsklammern dienen, weisen das Werk als vertikales, zentrales Artefakt aus, das an einer Rückwand hängt. Die große Marmorscheibe könnte ursprünglich ein Kanaldeckel gewesen sein, war demnach also wahrscheinlich waagerecht aufgestellt. Die Scheibenform ist ein Symbol für die Besänftigung der Sonne für die Landwirtschaft. Ebenso symbolisch ist der Hodensack, der in Form von zwei Kugeln im unteren Bereich dargestellt ist, entsprechend zu den beiden Hörnern im oberen Bereich, die die Zeugungskraft repräsentieren, und der Umriss zweier Wolfsköpfe, die sich zweifellos auf die „Lupercalien“ beziehen.

 

Dieses Bildnis des Gottes Faunus wurde als Relief in einen hochverdichteten, stark körnigen Marmor eingemeißelt, bei dem es sich geologisch gesehen um einen Oberflächenmarmor handelt, der sicherlich in Zeiten bearbeitet wurde, die dem Abbau der darunter liegenden Blöcke vorausgingen. In Bezug auf Volumen, Form, geologisches und historisch-technologisches Aussehen bestimmter Marmorarten, die in Rom verwendet wurden, würde die Entstehung dieses Werks also vor dem 4. Jh. v. Chr. liegen.

 

Das Relief wurde höchstwahrscheinlich von den Römern zunächst im Ceres-Tempel aufgestellt, an der Stelle, an der die drei Hügel Palatin, Aventin und Kapitol, auf denen Rom gegründet wurde, zusammentreffen.

 

Die Legende besagt, dass ein junger Patrizier, der von der Untreue seiner Frau überzeugt war, sie bat, ihre Unschuld zu beschwören, indem er sie dem Urteil der „Bocca della Verità“ unterzog. Die Frau, die tatsächlich eine Ehebrecherin war, konnte ihre Hand durch eine List retten. Sie vereinbarte mit ihrem Liebhaber, dass er an dem Tag, an dem die Prüfung stattfinden sollte, vor die Menge treten und sie unter dem Vorwand, verrückt zu sein, vor den Augen aller Zuschauer umarmen sollte.

 

Mund der Wahrheit
Mund der Wahrheit

Unbeirrt näherte sie sich der Maske, legte ihre Hand in den Mund und sagte stolz: „Ich schwöre, dass mich noch nie ein Mann umarmt und geküsst hat, außer meinem Mann und diesem verrückten jungen Mann.“ Die Hand blieb zur Zufriedenheit ihres Mannes unversehrt.

Die Legende besagt, dass demjenigen, der einen Meineid leistete, während er die Hand durch den Mund streckte, die Hand abgetrennt würde. Es wurde angenommen, dass die Richter, einem Henker auftrugen, hinter der Scheibe zu lauern, um dem Meineidigen mit einem Schwert die Hand abzuschlagen.

 

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